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Indexmieten: Für den Handel eine Situation fast wie der Lockdown

Wie die Inflation Gewerbetreibende doppelt trifft – und mögliche Wege aus dem Mietpreisstrudel

Wie die Inflation Gewerbetreibende doppelt trifft – und mögliche Wege aus dem Mietpreisstrudel

Deutschland erlebt aktuell die höchste Inflationsrate seit den 50er Jahren. Die Auswirkungen von Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise und Lieferengpässe führen zu starken Preissteigerungen. Dies spiegelt sich auch im so genannten „Verbraucherpreisindex“ (VPI) des Statistischen Bundesamts wider und hat somit auch unmittelbare Auswirkungen auf Gewerbemieten. Denn im Mietvertrag der meisten Gewerbemietflächen ist eine Indexklausel enthalten, die die Entwicklung des Mietzinses an die allgemeine Preisentwicklung in Form des VPI koppelt. Bei den Hunderten von uns betreuten Mietverträgen betrifft dies ganze 94%!

In den vergangenen 25 Jahren lag die dadurch bedingte Steigerung der Mieten jährlich moderat bei ca. 0,8 bis 1,5%. 2022 dann aber schoss die Inflationsrate im Oktober mit 10,4% auf den höchsten Stand im Jahr 2022 und in diesem Jahr liegt sie aktuell erneut bislang bei über 7%. Konkret heißt das: Die meisten Gewerbemieten steigen in kurzer Zeit dramatisch! Je nach Vereinbarung in den Verträgen kann dies sogar zu einer zweimaligen, deutlichen Mieterhöhung binnen 15 Monaten führen. Zusammen mit all den anderen aktuellen Belastungen für den stationären Handel und die Gastronomie kommen viele Unternehmen hierdurch an ihre Grenzen.

Sondereffekt vs. Systemischer Effekt

Bei der aktuellen Entwicklung der Inflation und damit des VPI muss man aus unserer Sicht allerdings zwei wesentliche Phasen unterscheiden: Mit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 kam es in kurzer Zeit zu einem dramatischen „Sondereffekt“, vornehmlich basierend auf der kriegsbedingten Entwicklung auf den Energie- und Getreidemärkten. Erst seit Frühjahr diesen Jahres kann man von einem „Systemischen Effekt“ sprechen, der die mittel- bis langfristige Entwicklung des Geldwertes bestimmen wird.

Kerntreiber der  Verbraucherpreisindexbasierten Mieterhöhungen ist somit der im Jahr 2022  schockartig  gestiegene Energie- und Rohstoffpreis. Dieser rasante Anstieg löste in fast allen Gewerbemietverträgen die vertraglich vereinbarte Mieterhöhung in einer unvorhersehbaren Weise und Höhe aus. So werden Mieter mit indexgebundenen Wertanpassungsklauseln gerade doppelt belastet: Durch automatische Kopplung an den Index steigt die Nettokaltmiete, in der  die vom Mieter für seinen Verbrauch zu zahlenden Energiekosten selbst noch gar nicht enthalten sind. Sie kommen mit ebenfalls deutlichen Steigerungen oben drauf.

Eine dem Automatismus der Verträge geschuldete Mieterhöhung im vollen Umfang dieser Sondersituation erscheint daher nicht fair und unausgewogen. Denn der Mieter muss über alle folgenden Jahre diese besondere Teuerung bezahlen.

Eine Situation wirtschaftlich schlimmer als der Covid-Lockdown

Als im März 2020 der erste Corona-Lockdown einschlug wie eine Bombe, waren Gewerbemieten eins der großen Themen: Null Umsatz bei gleichzeitig vollen laufenden Kosten – das brachte Unternehmen teilweise ans Existenzlimit. Wir haben viele Gewerbemieter in dieser schwierigen Zeit beratend begleitet und mit den Vermietern intensiv und sehr oft erfolgreich verhandelt. Daher wissen wir: Die heutige Situation ist ähnlich.

Denn steigende Mietkosten waren in diesem Umfang nicht vorhersehbar und nicht budgetiert, und sie kommen gerade geballt. Betreiber großer Filialnetzwerke erhalten in diesen Wochen Massen von Briefen mit drastischen Mieterhöhungen. Wenn bei 200 oder mehr Filialen quasi zeitgleich die Miete unerwartet und unverhältnismäßig stark steigt, hat das zusammen mit den steigenden Preisen überall entlang der Wertschöpfungskette, vom Rohstoff über Liefer- und Lagerkosten bis hin zum Personal, immense Auswirkungen auf Cashflow und Liquidität. Denn natürlich können Einnahmen und Gewinne nicht im gleichen Maße und der gleichen Geschwindigkeit gesteigert werden. Die Verbraucher werden nicht akzeptieren, oder können es sich schlicht nicht leisten, dass das, was gestern 5 Euro gekostet hat, nun 10 Euro kostet.

Langfristige Partnerschaften vor schnellem Gewinn

Indexklauseln sollen in Mietverträgen zum Werterhalt einer Immobilie beitragen. Das ist fair und notwendig, denn der Wert von Geld verändert sich über die Zeit. Aktuell sprechen wir aber  von einem „Sondereffekt“, der mutmaßlich nicht nachhaltig sein wird und eine einseitige und nicht ausgewogene Sondereinnahme für den Vermieter darstellt. Eine so drastische Mieterhöhung, wie sie gerade vielen Mietern widerfährt, kann unmittelbar gefährlich sein und längerfristig zur Aufgabe von Flächen führen. In der Regel muss dann renoviert und ein Nachmieter gefunden werden, was  hohe Kosten für den Vermieter verursacht.

Tatsache ist zudem gleichzeitig, dass sich Gewerbemieten in Innenstädten und Einkaufszentren in den letzten Jahren eher rückläufig entwickelt haben. Das Ergebnis einer forcierten Mieterhöhung kann somit sein, dass Flächen frei werden und anschließend zum niedrigeren Mietzins neuvermietet werden müssen.

Vermieter sind also gut beraten, nicht den außerplanmäßigen, kurzfristigen Gewinn durch Indexerhöhungen im Fokus zu haben, sondern langfristige Partnerschaften mit verlässlichen Mietern. Gesprächs- und Kompromissbereitschaft in der aktuellen Situation können diese sichern und gleichzeitig mit fairen Vereinbarungen den beschriebenen „Systemischen Effekt“ des Geldwertes für die Zukunft fair abbilden. Wir helfen dabei, eine faire Lösung für beide Parteien zu finden. Ein Mediator, der nicht selbst Partei ist, kann in solchen Situationen den neutralen, unemotionalen Blick wahren.

Chancen nutzen: Viele Gewerbe-Mietverträge sind nicht mehr zeitgemäß

Fest steht: Indexklauseln werden aus Gewerbemieten nicht verschwinden und lassen sich auch nicht einfach wegdiskutieren. Sie sind der notwendige Schutz und Anreiz für Investoren, ihr Geld in Bauprojekten anzulegen.

Die Ankündigung oder Erwartung einer Mieterhöhung kann aber auch ein guter Anlass und eine Chance sein, laufende Mietverträge noch einmal ganz grundsätzlich zu überprüfen und proaktiv mit dem Vermieter ins Gespräch zu gehen. Meist für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren geschlossen, sind einst vereinbarte Konditionen häufig nicht mehr zeitgemäß, Situationen und Märkte haben sich verändert.

Wir unterstützen mit unserer Expertise aus über 10.000 nachverhandelten Verträgen gerne dabei, Ihr Mietportfolio zu überprüfen und verhandeln mit dem Vermieter auf Augenhöhe. So können am Ende – trotz aktivierter Indexklausel – vielleicht sogar bessere Konditionen entstehen und ein langfristiges, partnerschaftliches Mietverhältnis absichern.